New Work: Wissensmanagement für dauerhaftes Erfahrungswissen

In ihrem Buch „2025 – So arbeiten wir in der Zukunft“ werfen die Autoren Jánszky und Abicht einen Blick auf die Arbeitswelt von morgen. Vielmehr: Sie beschreiben einen Prozess, der schon weit fortgeschritten ist – und nicht im Jahr 2025 endet. In diesem Prozess wird ein beachtlicher Teil der Arbeitnehmer zu selbstbestimmten und vom Arbeitgeber unabhängigen „Jobnomaden“. Ihnen geht es nicht primär darum, kontinuierlich in der Hierarchie eines Unternehmens aufzusteigen. Vielmehr suchen sie in ihrem Berufsleben drei Dinge:



1.Abwechslungsreiche persönliche Herausforderungen mit Entfaltungspotenzial

2.Projekte, die einen höheren Sinn verfolgen und in denen sie sich weiterentwickeln

3.Interessante Kollegen, von deren Wissen und Erfahrung sie profitieren.

Den unabhängigen Arbeitnehmern kommt dabei die (aus ihrer Perspektive) entspannte Situation auf dem Arbeitsmarkt zugute. Denn sie können die Regeln zusehends selbst diktieren. Und Arbeitgeber, die Talente und fähige Fachkräfte suchen, werden sich künftig schwertun, diese einfach „einzukaufen“. Stattdessen müssen sie schauen, wie sie immer wieder neuen Aspiranten das gewünschte Umfeld bieten.

Wissen mehren und erhalten in New Work

Für die Unternehmen ergibt sich noch ein weiteres Problem: Wie lässt sich das im Unternehmen versammelte Wissen für die Zukunft sichern? Bislang sorgten die über viele Jahre an den Arbeitnehmer gebundenen Angestellten dafür, dass Informationen, Erfahrungen und Erkenntnisse erhalten und schrittweise an neue Generationen weitergegeben werden konnten. Doch was passiert bei hoher Mitarbeiterfluktuation und projektbezogenen Engagements? Systematisches Wissensmanagement und umsichtiges Coaching können eine nachhaltige Antwort liefern – sowohl auf die Nöte der Unternehmen als auch auf die Interessen der neuen Arbeitnehmer.Die Aufgabe lautet: Die starre Kopplung zwischen Personen und ihrem Wissen aufzulösen. Es braucht einen steten Wissenstransfer zwischen dem Unternehmen und den (temporären) Arbeitnehmern. Damit ein solches System dauerhaft funktioniert, muss der Austausch unbedingt in beide Richtungen laufen, um für alle Beteiligten attraktiv zu sein. Bis zu einem gewissen Grad können digitale Tools dabei helfen. Aber Datenbanken, Content-Sharing-Plattformen und Kollaborationstools müssen kontinuierlich genutzt und gepflegt werden. Außerdem sind sie meist auf blanke Daten und Informationen ausgerichtet – Erfahrungswissen lässt sich mit ihnen nur schwer erfassen.

Der implizite Wissensschatz

Diese Unterscheidung ist für das Wissensmanagement elementar. Explizites Wissen, das sich in Schrift, Daten, Zeichnungen und Bildern eindeutig festhalten und dokumentieren lässt, ist verhältnismäßig leicht zu speichern, zu verarbeiten und weiterzugeben. Meistens handelt es sich um Regel- und Faktenwissen, das in Berichten, Handbüchern, Organigrammen, Tabellen oder Prozessbeschreibungen fixiert werden kann. Ungleich sperriger verhält sich implizites Wissen, das sich aus Erfahrungen, Erinnerungen, Erkenntnissen und Intuition zusammensetzt. Doch genau darin bündelt sich letztlich die Kompetenz einer Person.Und das macht es so vertrackt. Denn das implizite Wissen ist uns oft nicht einmal bewusst. Wir rufen es gewissermaßen automatisch ab, wenn wir uns in einem bestimmten Kontext wiederfinden. Das können Routinen im zwischenmenschlichen Umgang mit Kunden sein, ein Workaround für reproduzierbares Fehlverhalten einer Software oder automatisierte Bewegungsabläufe. Aber was braucht das Wissensmanagement, um einen solchen, persönlichen Erfahrungsschatz aufzubereiten, weiterzugeben und zu dokumentieren?

Erfahrungen muss man erfahren

Da wir über das implizite Wissen meist unbewusst verfügen und es nicht einfach formalisieren und verbalisieren können, benötigen wir den Impuls von realen Aufgabenstellungen und Handlungen, um es abzurufen. Die Weitergabe erfolgt also nur durch praxisbezogenes Lehren und Lernen: Beispielsweise können die wenigsten Autofahrer (explizit) benennen, wann sie – abhängig von Fahrsituation und Motordrehzahl – den Gang wechseln. Aber wenn man zu zweit im Auto sitzt, genau beobachtet, die Gegebenheiten gemeinsam analysiert und Entscheidungen hinterfragt, entwickelt man selbst ein (implizites) Gespür für den richtigen Schaltmoment. Ein prinzipiell vergleichbares Vorgehen zur Weitergabe (und damit zur Erhaltung) sollten Unternehmen in ihrem Wissensmanagement etablieren. Zügig. Denn in den nächsten Jahren scheiden Heerscharen von hochqualifizierten und äußerst erfahrenen Mitarbeitern aus dem Berufsleben. Insbesondere deren implizites Wissen wird mit ihnen gehen, wenn es den Unternehmen nicht gelingt, die richtigen Strukturen und Führungsmodelle aufzubauen. Dabei geht es zunächst um typische Leadership-Qualitäten, wie sie in der neuen, agilen Arbeitswelt ohnehin gefragt sind: Flexibilität und Offenheit; Transparenz und umfassendes Vertrauen; Empowerment und individuelle Weiterentwicklung.

Von Menschen lernen

Darüber hinaus aber beinhaltet Wissensmanagement für die laufenden Veränderungen in New Work, eine durchgehende Coaching- oder Mentoring-Kultur. Die älteren, erfahrenen Kollegen erhalten darin eine neue, geförderte und geforderte Rolle: Sie werden zu Wissensvermittlern, zu Mentoren, die neue oder jüngere Kollegen nicht nur im Rahmen des Onboardings an die Hand nehmen. Es gibt dafür – mehr oder weniger niedrigschwellige – Beispielmethoden, die kontinuierlich Wissen verteilen; persönliche Kompetenzen ausbauen; die Flexibilität steigern und Prozesszusammenhänge verdeutlichen:•Altersgemischte Teams: Erfahrene und neue Teammitglieder arbeiten eng miteinander an gemeinsamen Projekten.•Job-Rotation: Ein systematisches Rotationsprogramm sorgt dafür, dass Mitarbeiter ihre Arbeitsinhalte und Arbeitsplätze regelmäßig durchtauschen.•Lerntandem: Methode, in der je ein Kollege mit viel – und einer mit wenig Erfahrung gemeinsam eine Aufgabe ausführen und die Verantwortung schrittweise übergeht.•Mentoring: Zweierbeziehung auf Zeit, in der nicht nur einzelne Projekte, sondern ganze Aufgabenbereiche gemeinsam übernommen werden.Systematisch eingesetzt, ermöglichen diese und verwandte Methoden, das persönliche Wissen von Mitarbeitern auf mehrere Personen zu verteilen. Aber professionelles Wissensmanagement braucht auch eine konstante Dokumentation des Wissens, um dauerhaft zur Verfügung zu stehen. Ein Weg dahin kann die Aufzeichnung der gemeinsamen Arbeit sein: Video- beziehungsweise Audiomitschnitte vom Arbeitseinsatz, Aufzeichnungen von Webinaren und Screensharings und ähnliches. Sinnvoll verschlagwortet, such- und findbar in einem Wiki oder einem Content-Management-System abgelegt, nutzen solche Dokumente auf Jahre.Um wertvolles Erfahrungswissen für eine spätere Verwendung aufzubereiten, gibt es weitere Möglichkeiten: Beispielsweise entsteht beim Storytelling nach Abschluss eines Projektes eine Lerngeschichte, die auch Daten und Fakten – vor allem aber subjektive Erfahrungen und „lessons learned“ enthält. Das Verfahren veranschaulicht Problemlösungen, illustriert Verhaltensweisen und bietet Inspiration. Auch grafische Darstellungen von Aufgabenbereichen oder konkreten Vorgehensweisen bieten sich an. Als Wissensbaum oder Wissenslandkarte hilft die strukturierte Abbildung von persönlichen Erfahrungen, komplexe Vorgänge überschaubar und begreifbar zu machen.

Organisationswissen macht zukunftsfähig

Unternehmen denen dieser Aspekt im Wissensmanagement gut gelingt, profitieren mehrfach. Sie können nachhaltig organisatorisches Wissen aufbauen, das entsteht, wenn die Organisationsmitglieder (zum Beispiel alle Mitarbeiter) das explizite und das implizite koordiniert zusammenführen. So werden Innovationen ermöglicht, bessere Produkte und Services, schlanke Prozesse und fundierte strategische Entscheidungen. Zudem entwickeln sich solche Unternehmen zu attraktiven Arbeitgebern, die ihren jungen Talenten viel persönliche und berufliche Weiterentwicklung bieten.